„Laut der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Artikel 25) hat zwar jeder Mensch ein Recht auf angemessenen Wohnraum. Doch für viele Menschen ist es schwer, eine geeignete oder leistbare Wohnung zu finden. Gleichzeitig steigt der Bedarf stetig. Besonders hart trifft es Menschen in verletzlichen Lebenslagen, beispielsweise Menschen mit Suchtproblemen, Menschen ohne Arbeit, alleinerziehende und ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund. Fehlt eine geeignete Unterkunft, sind auch viele andere Menschenrechte bedroht, beispielsweise das Recht auf Gesundheit und Leben, das Recht auf Teilhabe und das Recht auf Familie“, sagt Caritas-Direktor Paolo Valente.
Die Caritas versucht dem schon seit Jahren entgegenzuwirken, indem sie 11 Einrichtungen führt, in denen pro Jahr knapp 600 Menschen beherbergt werden. „Doch allein ein Bett und eine warme Mahlzeit sind zu wenig. Jeder braucht für sich ein Zuhause, das ihm Schutz und Geborgenheit bietet, wo er Platz für persönliche Gegenstände und Erinnerungsstücke hat. Uns ist deshalb ein anderer, neuer Ansatz in der Arbeit mit obdach- und wohnungslosen Personen wichtig, das sog. ,Housing first‘, sprich: Zuerst kommt die Wohnung, dann der Rest“, sagt Danilo Tucconi, Leiter des Bereiches „Wohnen“ der Caritas. „Eine eigene Wohnung ist ja auch Voraussetzung für ganz vieles andere im Leben: Sie ist die Meldeadresse für eine Arbeitsstelle, für die Eröffnung eines Bankkontos, für die Wahrung rechtlicher Ansprüche, die Gründung einer Familie und ein wirkliches Familienleben.“
Um dieses innovative Modell des „Housing first“ auch nach Südtirol zu bringen, hat die Caritas das Projekt „Domus“ ins Leben gerufen. Dabei führt sie dieses neue Modell in ihren Trainingswohnungen in Meran, Brixen und Kaltern durch. „Hier entwickeln wir Projekte mit dem Ziel, die ,obdachlosen‘ Bewohner wieder in die Gesellschaft, in die Gemeinschaft einzugliedern. Wir begleiten die Bewohner dabei hin zu einem autonomen Leben. Damit dies gut gelingt, ist die Unterstützung vieler Freiwilliger, von Vereinen und Mitgliedern der Pfarrcaritas wichtig, die das soziale Netz rund um die Personen stärken. Das ,Training‘ besteht z.B. darin, die Bewohner beim Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung zu begleiten, sich im Netz der Dienstleistungen zurechtzufinden und sich schließlich auf dem privaten oder sozialen Wohnungsmarkt eine eigene Wohnung zu suchen“, sagt Tucconi.
Leider aber ist die Wohnungssuche nicht leicht – oft auch deshalb, weil private Vermieter ihre Wohnungen lieber leer stehen lassen, als sie an Menschen mit bestimmten Problematiken oder Migrationshintergrund zu vermieten; mit Familie ist es für sie sogar beinahe unmöglich. Auch hier bietet die Caritas Hilfestellung und zwar über ihren Dienst „Wohnbegleitung“. „Inzwischen wenden sich auch nicht Caritas-Betreute an uns“, sagt Gertrud Rungaldier, welche die „Wohnbegleitung“ ausübt. „Unser Ziel ist es zu vermeiden, dass die Menschen obdachlos werden oder nur in Notunterkünften unterkommen.“ Die Caritas fungiere dabei als Vermittlerin, aber auch als Ansprechpartnerin für Vermieter und Nachbarn und begleite ihre Schützlinge auch nach dem Einzug noch eine Zeitlang weiter. „Von 2020 bis heute haben wir 10 Familien und 55 Einzelpersonen bei der Wohnungs- und Unterkunftssuche erfolgreich unterstützt und begleitet“, so Rungaldier. Laut Astat-Erhebungen stehen in Südtirol etwa 15.000 Wohnungen leer.
Wohnprobleme betreffen nicht immer das Fehlen einer Wohnung. Oft kann es aufgrund von Krankheit, Schicksal, den Folgen der Pandemie oder anderen Ursachen zu finanziellen Engpässen kommen; da wird es dann schwer, die in Südtirol doch recht teuren Mieten und Mietnebenspesen zu bezahlen. Vielen droht deshalb häufig die Zwangsräumung. Diese wurde während der Pandemie zwar ausgesetzt, wird im Jänner 2022 aber wieder greifen. Hier müssen immer häufiger die Caritas Schuldnerberatung und die Sozialberatung einspringen, um das Schlimmste zu verhindern und gemeinsam mit ihren Betreuten und den Gläubigern eine Lösung zu finden. Wichtig ist hier auch die Präsenz der Sozialberatungen und Freiwilligen in den Pfarreien, die sich darum bemühen, die Menschen in den verschiedenen Lebenslagen und mit unterschiedlichen Schwierigkeiten zu begleiten.
Um auch die Bevölkerung mehr zu sensibilisieren, wird das Thema „Alle haben ein Recht auf Wohnen“ heuer im Rahmen der Kampagne auch hinaus in die Pfarreien gebracht. „Wir haben einen Ausstellungs-Parcours vorbereitet, den jede Pfarrei nutzen kann, und wir laden am 6. November zu einem Aktionstag ein, bei dem alle mitmachen können“, sagt Brigitte Hofmann, Leiterin des Bereiches „Caritas&Gemeinschaft“. „Es kann nicht sein, dass wir Menschen auf der Straße lassen oder ihnen keine Wohnung geben, nur weil sie nicht in unser Bild passen.“
„Bei all dem brauchen wir natürlich die Unterstützung der Bevölkerung“, sagt Caritas-Direktor Paolo Valente, „sei es, was die Bereitstellung von Wohnraum für Betroffene anbelangt, aber auch durch Spenden an unsere Dienste, welche daran arbeiten, den Menschen zu ihrem Grundrecht ,Wohnen‘ zu verhelfen. Besonders brauchen wir Menschen, die sich in den Dienst am Nächsten stellen und mithelfen, Sorge zu tragen und aufmerksam auf die zu schauen, die von einer solchen Not betroffen sind.“
Not ist näher als du denkst – Aktionstag am 6. November
Die Sensibilisierungs- und Spendenkampagne „Not ist näher als du denkst“ beginnt am 6. November mit einem Aktionstag und endet am 14. November mit dem Caritas-Sonntag. Der Aktionstag findet auch heuer wieder statt der Großen Gebrauchtkleidersammlung statt und bietet Pfarreien und Freiwilligen zahlreiche Möglichkeiten, sich für ihre Nächsten einzubringen. So können Pfarreien ihre Mitglieder über eine Ausstellung zum Thema „Alle haben ein Recht auf Wohnen“ informieren, welche die Caritas&Gemeinschaft vorbereitet hat. Auch können sie für obdachlose Menschen ein Mittag- oder Abendessen organisieren oder sich mit jungen Menschen am Flashmob beteiligen, der in verschiedenen Südtiroler Ortschaften stattfinden wird. Nähere Informationen finden sich unter caritas.bz.it/mithelfen/pfarrcaritas/infomaterial/caritas-sonntag.html, Tel. 0471 304 330 oder E-Mail gemeinschaft.comunita(at)caritas.bz.it.
Spenden, um die Arbeit der Caritas zu unterstützen:
Wer die Caritas bei ihrer Arbeit unterstützen möchte, kann dies bei der Kirchensammlung zum Caritas-Sonntag tun, mit einer online-Spende unter caritas.bz.it oder mit einer Banküberweisung unter dem Kennwort „Caritas“ auf eines der folgenden Spendenkonten:
Raiffeisen Landesbank, IBAN: IT42 F0349311600000300200018;
Südtiroler Sparkasse, IBAN: IT17 X0604511601000000110801;
Südtiroler Volksbank, IBAN: IT12 R0585611601050571000032;
Intesa Sanpaolo, IBAN: IT18 B0306911619000006000065.
Caritas-Dienste, welche Menschen in Wohnungs-Not beherbergen, begleiten, beraten und finanziell unterstützen:
Haus Freinademetz (Bozen)
Haus Margaret für Frauen (Bozen)
Migrantes (Bozen)
Odòs für Häftlinge und Haftentlassene (Bozen)
Haus Arché (Meran) Nachtquartier (Meran)
Domus Meran Haus Miriam (Brixen)
Domus Brixen Haus Jona (Bruneck)
Domus Kaltern Caritas
Sozialberatung Tel. 0471 304308
Caritas Schuldnerberatung Tel. 0471 304 380
Schalter Domus: Tel. 0471 304 769
Wohnbegleitung: 349 58 13270
Infos zur Aktion:
Caritas&Gemeinschaft Tel. 0471 304 330