„Das Jahr 2021 begann ähnlich wie das Jahr davor mit einem harten Lockdown, Ausgangssperren und weitgehendem Erliegen des öffentlichen Lebens. Die Touristen blieben aus, viele Menschen verloren ihre Arbeit oder wurden in Kurzarbeit geschickt. Die sozialen Folgen waren in vielen Diensten der Caritas spürbar“, fasst Caritas-Direktor Franz Kripp die Herausforderungen des 2. Pandemiejahres zusammen. Auch die Test- und Impfpflicht habe ihren Tribut gefordert: „Auch uns hat das vor personelle Herausforderungen gestellt“, sagt Kripp, „die insgesamt gut gemeistert werden konnten.“ Und trotz der Risiken, welche gerade die Delta-Variante durch ihre rasant schnelle Ausbreitung mit sich gebracht habe, habe die Caritas entschieden, die Kinderferien in Caorle und Cesenatico durchzuführen, um Kindern und Jugendlichen Momente der Gemeinschaft nach monatelangen Kontaktbeschränkungen zu ermöglichen. „Diese fanden dann in Caorle ein abruptes Ende mit dem Hotspot, den wir Mitte August dort hatten – auch das eine große organisatorische Herausforderung, bei der uns viele geholfen haben“.
Teures Leben
Zwar hätten sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Laufe des Jahres gut erholt, doch nicht alle hätten davon gleichermaßen profitiert. „Schon bald hat sich der Anstieg der Inflation abgezeichnet, vor allem Strom, Gas und andere Brennstoffe sind bereits 2021 teurer geworden“, berichtet Kripp. Dies habe sich in den beiden Caritas-Diensten Schuldnerberatung und Sozialberatung deutlich bemerkbar gemacht. „Besonders die Anfragen um finanzielle Unterstützung sind bei uns angestiegen. Insgesamt haben wir (Schuldner- und Sozialberatung) über 230.000 Euro an finanzieller Unterstützung besonders für Miete, Strom oder Gesundheitsausgaben ausbezahlt. Viele haben entweder ihre Arbeit verloren oder sind mit ihrem geringen Einkommen nicht mehr über die Runden gekommen“, sagt Mariano Buccella von der Caritas Sozialberatung in Bozen. „Auffallend ist, dass sich bei uns in der Sozialberatung wesentlich mehr Menschen aus ländlichen Gebieten gemeldet haben als in den ganzen 30 Jahren unseres Bestehens davor.“
Kein Platz zum Wohnen
Ein Brennpunkt ist und bleibt das Thema „Wohnen“. „Der dringende Bedarf nach leistbaren und geeigneten Unterkünften zeigt sich beinahe in allen unseren Diensten“, sagt Bereichsleiter Danilo Tucconi. „Besonders hart trifft es Menschen in verletzlichen Lebenslagen, beispielsweise Menschen mit Suchtproblemen, Menschen ohne Arbeit, alleinerziehende und ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund. Dabei zählt das Recht auf eine Unterkunft zu den Menschenrechten. Fehlt eine geeignete Unterkunft, sind auch viele andere Menschenrechte bedroht, beispielsweise das Recht auf Gesundheit und Leben, das Recht auf Teilhabe und das Recht auf Familie“, sagt Tucconi. Eben auch deshalb habe die Caritas im Rahmen der Caritas-Woche im November dazu eine Sensibilisierungskampagne durchgeführt.
Die Caritas selbst führt 11 Einrichtungen, in denen pro Jahr knapp 600 Menschen beherbergt werden. Überdies hat sie 2021 rund 1.000 Personen – viele von ihnen ohne Obdach - in ihren Essensausgabestellen in Bozen und Brixen mit warmen Mahlzeiten versorgt. Außerdem hat die Caritas im Winter 2021 erstmals Kälte-Notfallzentren in Bozen und in Meran eingerichtet und geführt, und es wurden weitere Wohneinheiten für das HousingFirst-Modell (Zuerst das Wohnen, dann der Rest) zur Verfügung gestellt. „Wohnen wird auch weiterhin eines unserer Schwerpunktthemen bleiben. Denn eine eigene Wohnung zu haben, ist Grundvoraussetzung für ganz vieles andere im Leben; aber viele finden trotz Arbeit keine oder das Einkommen ist zu niedrig für die hohen Wohnungspreise in Südtirol“, unterstreicht Tucconi.
Zurückgegangen ist indes die Zahl der Asylsuchenden, welche die Caritas 2021 im Rahmen der staatlichen Aufnahmeprogramme beherbergt hat: von den einst 11 von ihr geführten Flüchtlingshäuser wurden 2020 5 und 2021 3 geschlossen. Derzeit werden noch rund 100 Personen im Haus Sara in Bozen, dem Haus Arnika in Meran und dem Haus Noah in Tisens betreut, gut ein Drittel davon Minderjährige. Neu dazu gekommen ist das Haus St. Georg in Sarns zur Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen.
Wenn die Seele leidet
Das 2. Jahr der Pandemie hat den Menschen auch psychisch wieder viel abverlangt: Einsamkeit, Unsicherheit, Ängste und Konflikte waren die Hauptthemen in den Caritas-Diensten, welche sich der seelischen Sorgen und Nöte annehmen, wie Caritas Telefonseelsorge, Psychosoziale Beratung, Tagesclub, Männerberatung und Hospizbewegung. Letztere hat insgesamt mehr als 900 Trauerbegleitungen durchgeführt (Trauergruppen inklusive), fast doppelt so viel wie 2020. „Zwar waren bestimmte Trauerrituale wie Beerdigungen wieder möglich, doch die Sicherheitsbeschränkungen und Abstandsregeln haben das Abschiednehmen erschwert. Trost zu finden, war für viele auch 2021 schwierig“, berichtet Agnes Innerhofer, die Leiterin der Hospizbewegung, von ihrem Dienst. „Wir haben deshalb auch wieder verschiedene Trauergruppen organisiert und begleitet. Auch mit dem Wünschewagen, dem Gemeinschaftprojekt mit dem Weißen Kreuz, waren wir wieder viel unterwegs.“ Überdies arbeitet die Caritas im Netzwerk Suizidprävention intensiv an notwendigen Lösungen für Menschen in akuten, lebensbedrohenden Krisen.
Wirken über die Landesgrenzen hinaus
Bezeichnete man Corona zu Beginn noch als „demokratisches Virus“, das Arm und Reich gleichermaßen trifft, wurde spätestens im 2. Jahr der Pandemie mehr als deutlich, dass die Folgen für die Menschen in wirtschaftlich schwächeren Teilen der Welt weit fataler sind als in den sog. Wohlstandsländern. Die Anzahl der Menschen in extremer Armut ist sprunghaft um rund 150 Millionen angestiegen. „Allein in Afrika haben über 33 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren, was sich besonders negativ auf ihre Familien ausgewirkt hat. Unzählige Kinder konnten deshalb nicht mehr zur Schule gehen, sondern wurden als Tagelöhner eingesetzt oder gar zwangsverheiratet. Bei unseren Unterstützungsmaßnahmen ging es deshalb auch vordergründig immer um Existenzsicherung, um solche Schicksale zu verhindern“, so Kripp.
Für eine solidarische Gemeinschaft
Die anhaltende Pandemie hat nicht nur unsere Gewohnheiten, sondern auch unseren Umgang miteinander verändert. „Je länger die Krise angedauert hat, desto mehr wurde die Solidarität insgesamt auf die Probe gestellt. Dennoch hat sich bei der Caritas gezeigt, dass immer noch viele Menschen bereit waren, für andere da zu sein und zu helfen“, bedankt sich Caritas-Direktor Franz Kripp bei der Heerschar an Freiwilligen, ohne die viele Caritas-Dienste gar nicht denkbar wären. Allein in diesen wirkten 2021 insgesamt 850 Freiwillige mit; dazu kommen noch die vielen Freiwilligen in den Pfarreien, die Bedürftigen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Dank an die Spenderinnen und Spender
Die nun das 2. Jahr in Folge andauernde Herausforderung Corona und das Wirken der Caritas in diesem schwierigen Jahr 2021 konnten auch dank der Großzügigkeit der Südtiroler Bevölkerung gut bewältigt werden. „2021 haben 6.734 Spenderinnen und Spender die Arbeit der Caritas unterstützt: Über 700.000 Euro wurden für Not in Südtirol gespendet und über 1,4 Millionen Euro für Hilfsprojekte außerhalb des Landes. Dafür danken wir allen von Herzen und hoffen auch weiterhin auf das Wohlwollen und die Unterstützung der Bevölkerung gegenüber ihren Mitmenschen und gegenüber dem Tun der Caritas“, schließt Kripp den Bericht über das Wirken der Caritas 2021 ab.