Menschen in finanziellen Notlagen aufzufangen, ihre Existenz zu sichern und lebenswerte Perspektiven aufzuzeigen ist seit 2 Jahrzehnten das Ziel der Caritas Schuldnerberatung. „Vor 20 Jahren stellte sich die Caritas die Frage, was die Ursachen der zunehmenden Schuldenprobleme waren und wie man Betroffenen nachhaltig helfen kann“, erläutert Caritas-Direktor Paolo Valente den Grund für den Aufbau einer Schuldnerberatung in Südtirol. Es wurde klar, dass die Betroffenen mehr als nur finanzielle Hilfe brauchten, um schwierige Schuldensituationen in den Griff zu bekommen, denn: „Die Schuldenproblematik ist sehr komplex und hat nicht nur materielle Auswirkungen, sondern beeinträchtigt das tägliche Leben in allen Bereichen“, so Valente. Um den Betroffenen wieder auf die Beine zu helfen und ihnen zu einer langfristigen Stabilisierung zu verhelfen, brauchte es dringend eine fundierte und fachliche Beratung und Betreuung. So wurde in Anlehnung an vergleichbare Strukturen im nahen Ausland ein Beratungskonzept auf Südtiroler Verhältnisse zugeschnitten. Der Name „Schuldnerberatung“ setzte sich durch. Nach und nach wurden neben dem Büro in Bozen auch Beratungsstellen in Meran, Bruneck und Brixen eingerichtet.
In den vergangenen 2 Jahrzehnten haben 20.000 Südtiroler das Beratungsangebot genutzt, wobei die Nachfrage ständig angestiegen ist. So haben sich im ersten Tätigkeitsjahr noch 441 Ratsuchende an die Schuldnerberatung gewandt und 2018 bereits 1.250. Dabei waren in den Anfangsjahren des Caritas-Dienstes vor allem der Erwerb eines Eigenheims, unterzeichnete Bürgschaften und unsachgemäße Haushaltsführung die Hauptgründe für die Notlage der Ratsuchenden. „Ratenzahlungen, Daueraufträge, Kredit- und Bankomatkarten waren damals relativ neu. Dadurch haben einige Menschen den Überblick über ihre finanzielle Situation verloren. Dazu kamen noch die schnell ansteigenden Kosten beim Kauf eines Eigenheims. Damit haben sich einige Familien finanziell übernommen“, erinnert sich Petra Priller, die fast seit den Anfängen in der Schuldnerberatung tätig ist.
Bis heute haben sich Auslöser und Ursachen für die Schuldenprobleme merklich verändert. „Seit der Wirtschaftskrise kommen immer mehr Menschen zu uns, die ihre Arbeit verloren haben, auf Arbeitssuche sind oder früher einen Betrieb hatten, den sie zusperren mussten. Viele der Ratsuchenden haben auch ein sehr niedriges Einkommen. Die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, während die Löhne stagnieren. Dadurch geraten immer mehr Familien und Alleinlebende, vermehrt Rentner, unter Druck“, erläutert die langjährige Schuldnerberaterin. Das zeige auch die Tatsache, dass die Durchschnittshöhe der Gehälter in den vergangenen 2 Jahrzehnten relativ niedrig geblieben sind: 1999 verdienten die Ratsuchenden in der Schuldnerberatung im Schnitt 956 Euro, 2018 waren es 1.249 Euro. „Damit können sich Familien kaum das Notwendigste zum Leben leisten, geschweige denn Reparaturen oder dringend nötige Anschaffungen. Wenn unvorhergesehene Ausgaben dazukommen, oder Schicksalsschläge wie ein Todesfall oder eine schwere Krankheit, beginnt sich das Schuldenkarusell immer schneller zu drehen“, weiß Petra Priller. Gestiegen ist hingegen die durchschnittliche Schuldenhöhe von 35.700 Euro im Jahr 1999 auf 50.700 Euro im vergangenen Jahr.
Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die Arbeit in der Schuldnerberatung. „Die Beratungstätigkeit ist intensiver und komplexer geworden, der Weg aus der Schuldenspirale schwieriger. Wer kaum genug verdient, um die dringendsten Spesen zu begleichen, kann nur schwer Schulden zurückzahlen“, berichtet der Leiter der Caritas Schuldnerberatung, Stefan Plaikner. Die Ratsuchenden stehen oftmals vor dem finanziellen und damit auch seelischen Zusammenbruch. „Finanzielle Not hat oft zur Folge, dass sich die Betroffenen schämen, sich zurückziehen, aufgrund des Geldmangels nicht mehr am sozialen Leben teilhaben können, vereinsamen und in Depression oder Suchtverhalten abdriften“, weiß Plaikner. Genau das wollen die Schuldnerberater verhindern. „Wir suchen nicht kurzfristige Notlösungen, sondern wollen erreichen, dass die Menschen ihr Leben nachhaltig in den Griff bekommen. Es geht uns um langfristige soziale und finanzielle Stabilisierung und um lebenswerte Perspektiven“, erklärt Plaikner und lädt Betroffene ein, sich rechtzeitig Hilfe zu suchen. „Je früher die Ratsuchenden zu uns kommen, desto eher können Pfändungen und schwerwiegende soziale Folgen verhindert werden“, sagt Plaikner.
Die insgesamt sieben speziell ausgebildeten Schuldnerberater bieten in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck fachliche Beratung und Hilfestellungen an. In den Beratungsgesprächen erarbeiten sie gemeinsam mit den Ratsuchenden einen Überblick über die Schuldensituation und zeigen Lösungsmöglichkeiten auf. Budgetanalysen und Haushaltspläne sind dazu genauso hilfreich wie realistische Ratenvereinbarungen. Im Einverständnis mit den Betroffenen übernehmen die Schuldnerberater auch Verhandlungen mit den Gläubigern. Die Beratung ist diskret und kostenlos.
Damit es gar nicht erst zu groben finanziellen Problemen kommt, hat die Schuldnerberatung in den 20 Jahren ihres Bestehens bereits mehrere Präventionsprogramme ins Leben gerufen. So sind verschiedene Ratgeber und Haushaltsbücher ausgearbeitet worden, die allen Interessierten zur Verfügung stehen. In Aktionen und Vorträgen informieren die Berater laufend zum Thema Geld. Seit 2006 lernen Oberschüler im Rahmen des „Monetenchecks“, wie sie verantwortungsvoll mit den eigenen Finanzen umgehen können. Für alle, die noch keine Geldprobleme haben, aber ihre finanzielle Situation im Griff behalten wollen, bietet die Schuldnerberatung seit einem Jahr zusätzlich eine so genannte Budgetberatung an. „Die Initiativen haben Wirkung gezeigt. Allgemein können wir feststellen, dass die Menschen vorsichtiger im Umgang mit Geld geworden sind und dass sie gut überlegen, bevor sie größere Anschaffungen machen“, sagt Stefan Plaikner.
Um Schulden, Geld, Armut und Schuldenprävention geht es auch in der Wanderausstellung „Hilfe Geld!“, die anlässlich des 20jährigen Jubiläums der Schuldnerberatung heute eröffnet wurde. Sie ist das Ergebnis eines besonderen Projektes am Kunstgymnasiums „Cademia“ in St. Ulrich/Gröden. Dort haben sich Schülerinnen und Schüler im Laufe dieses Schuljahres in Begleitung des Lehrpersonals und den Schuldnerberatern der Caritas intensiv mit dem Themenkreis rund um Geld und Schulden auseinandergesetzt und dazu ganz persönliche Werke gestaltet. Diese sind gemeinsam mit Informationen und Ratschlägen aus der Schuldnerberatung in den kommenden Monaten in Bozen, Meran, Brixen, Bruneck, Schlanders zu sehen. Für die Direktorin des Kunstgymnasiums, Elisabeth Baur, ist die Teilnahme an der Jubiläumsaktion der Schuldnerberatung eine wertvolle Ergänzung zum Schulalltag: „Unsere Schulen setzen sich das Ziel, die Schülerinnen und Schüler nicht allein im Erwerb von Fachkenntnissen und - Inhalten zu begleiten, sondern auch lebensnahe Kompetenzen zu vermitteln. Die Zusammenarbeit mit der Schuldnerberatung der Caritas trägt zur persönlichen Entwicklung der jungen Erwachsenen bei und gibt ihnen wertvolle Hinweise für das spätere Leben“, so Baur.
Die Landesabteilung Sozialwesen unterstützt die Schuldnerberatung seit ihrer Entstehung mit einem jährlichen Landesbeitrag. „Ohne die öffentliche Finanzierung könnten wir den wichtigen Dienst der Schuldnerberatung nicht führen“, erklärt Caritas-Direktor Paolo Valente. Er bedankt sich auch bei der Stiftung Südtiroler Sparkasse und dem Verein „Südtirol hilft“, die der Caritas für Menschen in Not jährlich eine Unterstützung gewähren.
Die Schuldnerberatung ist in Bozen (Sparkassenstraße 1, Tel. 0471 304 380), Meran (Rennweg 52, Tel. 0473 495 630), Brixen (Bahnhofstraße 27/A, Tel. 0472 205 927) und Bruneck (Paul-von-Sternbachstraße 4, Tel. 0474 413 977) erreichbar.
Die Stationen der Wanderausstellung „Hilfe Geld!“ im Überblick:
• 9. Mai bis 5. Juni 2019:Bozen, Hauptsitz der Caritas, Sparkassenstraße 1
• 13. Juni bis 11. Juli 2019:Schlanders, Bibliothek Schlandersburg, Schlandersburgstrasse 6
• 11. Juli bis 14. August 2019:Meran, Krankenhaus Meran (Haupthaus), Rossini-Straße 5
• 14. August bis 24. September:Bruneck, Stadtbibliothek, Enrico-Fermi-Straße 6
• 24. September bis 24. Oktober 2019:Brixen, Krankenhaus Brixen, Dantestraße 51
• Ab 24. Okober:St. Ulrich (Gröden), Kunstgymnasium „Cademia“, Rezia-Straße 293