Das Netzwerk Suizidprävention, zu dem sich vor über einem Jahr mehr als 20 verschiedene gemein-nützige Organisationen und öffentliche Einrichtungen zusammengeschlossen haben, lud am 10. Mai zu einer Tagung nach Bozen, um gemeinsam notwendige Maßnahmen zu erarbeiten, mit dem Ziel, den Umgang mit Suizid, mit gefährdeten Personen sowie mit deren Angehörigen spürbar zu verbessern. Mehr als 200 Teilnehmer, überwiegend aus dem Bildungssektor, den Sozial- und Gesundheitsdiensten und aus verschiedenen sozialen Organisationen, haben einen Vormittag lang intensiv über dieses wichtige Thema diskutiert.
„Die Tagung war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir haben dadurch bereits mehrere wichtige Ziele erreicht: Erstens, dem Tabu Suizid haben wir erfolgreich entgegengewirkt, zweitens, Partner aus verschiedenen Berufs- und Sprachgruppen haben sich intensiv ausgetauscht und drittens, die beste-henden Dienste und Anlaufstellen sind wesentlich sichtbarer als zuvor“, sagt Guido Osthoff, Bereichs-leiter der Caritas und Koordinator des Netzwerks. „Darüber hinaus konnten wir bei der Tagung zahlrei-che Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. An diesen gilt es nun weiterzuarbeiten und gemeinsam konkrete Schritte in die Wege zu leiten, um Suizidprävention in Südtirol weiter voranzutreiben“, ergänzt Sabine Cagol von der Genossenschaft EAAD–EOS.
Weitere Mitglieder des Netzwerks fassen die wichtigsten Ergebnisse der verschiedenen Diskussionen folgendermaßen zusammen: „Bei der Tagung wurde zuallererst deutlich, dass die Gesellschaft unbe-dingt ihre ethische Haltung zum Wert des Lebens ändern sollte. Denn nur wenn wir dessen Höhen und Tiefen, also die Licht- und Schattenseiten akzeptieren, dann sind wir für unser eigenes Leben gerüstet und können zudem anderen Menschen in Krisensituationen beistehen,“ befindet Roger Pycha, Primar des psychiatrischen Dienstes am Krankenhaus Bruneck.
Peter Koler, Direktor des Forum Prävention, stellt fest: „Es gibt einen breiten Konsens, dass ein spezi-fischer Suizidpräventionsplan des Landes nötig ist, um die effiziente Umsetzung einzelner Maßnahmen zu garantieren. Es gibt in Südtirol zwar bereits viele Dienste und Anlaufstellen für gefährdete Men-schen, allerdings sind dort allzu oft die Zuständigkeiten unklar oder die Wartezeiten schlicht zu lang.“ „Was es dringend braucht sind einfacher zugängliche Präventionsangebote, besser geschultes Perso-nal und mehr gezielte Sensibilisierungsarbeit. Letzteres betrifft gerade die lokalen Medien, von denen wir dringend einen verantwortungsvollen Umgang mit der Thematik einfordern müssen“, ergänzt Marlene Kranebitter, die Landesleiterin der Notfallseelsorge.
„Die Ausbildung des Fachpersonals ist ein weiterer essentieller Faktor für eine verbesserte Suizidprä-vention“, so Julia von Spinn, Schulberaterin beim Pädagogischen Beratungszentrum des Landes in Bozen. Gerade Lehrpersonen brauchen mehr Kompetenzen oder Hilfestellungen, um in Krisensituatio-nen richtig reagieren zu können.“ „Generell ist für alle Fachdienste wichtig, dass vorhandenes Wissen nicht verloren geht. Zudem müssen jegliche Synergien – auch über Sprachgrenzen hinweg – effizient genutzt werden“, fügt Harald Moser von Telefono Amico hinzu.
„Darüber hinaus müssen wir unbedingt weiter gegen die weit verbreiteten Tabus arbeiten, gerade wenn ein Suizid oder Suizidversuch passiert ist. Dazu braucht es Unterstützungsangebote, auch nied-rigschwelliger Art, während der akuten Krisenphase genauso wie eine langfristige Begleitung der Betroffenen. Allerdings überwiegt der Eindruck, dass im Moment dafür weder die personellen noch die finanziellen Ressourcen bzw. die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Diensten aus-reichend sind,“ meint Irene Volgger, Koordinatorin und Trauerbegleiterin der Caritas Hospizbewegung.
„Was suizidgefährdete Menschen oder diesen nahestehende Personen brauchen, sind vor allem kom-petente und erreichbare Ansprechpartner, die sich um sie kümmern oder sie zumindest an passende Einrichtungen verweisen können. Eine Aufgabe des Netzwerks wird es daher sein, sogenannte seeli-sche Erste Hilfe-Kenntnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Darüber hinaus braucht es die gezielte Sensibilisierung von besonderen Berufsgruppen, denn vor allem Hausärzte, Lehrpersonen oder Journalisten spielen eine wichtige Rolle. Wir verlassen uns darauf, dass wir dabei als Netzwerk Suizidprävention auch in Zukunft auf die Unterstützung aus der Politik zählen können,“ schließen Sa-bine Cagol und Guido Osthoff die Forderungen des Netzwerks ab.