Wenn die Telefonseelsorge mit dem heutigen 28. November ihr Angebot um die Onlineberatung erweitert, so geschieht dies auf den Tag genau 16 Jahre nach der Gründung des Dienstes. Damals hat die Caritas die Telefonseelsorge eröffnet, um Menschen in Krisensituationen eine telefonische Anlaufstelle anzubieten. „Inzwischen hat sich viel verändert: Durch das Internet und die neuen Medien haben sich unsere Kommunikationsformen nicht nur erweitert, sondern auch radikal gewandelt. Darauf möchten wir mit diesem neuen Angebot reagieren,“ erklärte Caritas-Direktor Paolo Valente heute Vormittag die Beweggründe, jetzt auch eine Onlineberatung anzubieten, „Wir wollen für jene Menschen eine Anlaufstelle schaffen, die sich in einer belastenden Lebenssituation mit dem Schreiben leichter tun, als mit dem Reden“.
Dass das Schreiben helfen kann, weiß Silvia Moser, die Leiterin der Caritas Telefonseelsorge aus langjähriger Erfahrung. Die ausgebildete Poesie- und Bibliotherapeutin verweist auf die ordnende und strukturierende Kraft des Schreibens. „Wer ein Tagebuch führt, ordnet dabei gleichzeitig und fast automatisch seine Gedanken. Gefühle, Fragen und Probleme werden oft viel klarer, wenn man beginnt, sie aufzuschreiben. Die Beziehungserfahrung eines geschützten Austauschs mit eigens dafür ausgebildeten Beratern bringt dabei noch zusätzliche Entlastung in einer schwierigen Situation oder Krise“, so Moser. Auch hätten Erfahrungen von Online-Beratungsstellen in Italien und im benachbarten Ausland gezeigt, dass die Onlineberatung von jungen Menschen stark genutzt wird, und dass Themen, die besonders scham- oder angstbesetzt sind, viel eher in geschriebener Form behandelt werden, als am Telefon.
Davon zeigt sich auch Caritas-Bereichsleiter Guido Osthoff überzeugt, der das noch junge „Netzwerk Suizidprävention“ in Südtirol koordiniert. Es wurde von verschiedenen Vereinen und Organisationen, darunter der Caritas, mit dem Ziel ins Leben gerufen, die relativ hohe Suizidrate in Südtirol langfristig zu senken. „Die Onlineberatung kann gerade auch für Frauen und Männer hilfreich sein, die daran denken, ihrem Leben ein Ende zu setzen oder die jemanden durch Suizid verloren haben“, betont Osthoff, und lädt ein, mit den Onlineberatern in Kontakt zu treten: „Es gibt Hilfe. Der erste Klick liegt aber an Ihnen“.
Die Onlineberatung ist ebenso wie die grüne Nummer der Telefonseelsorge 840 000 481 rund um die Uhr erreichbar. Unter der Webadresse telefonseelsorge-online.bz.it können sich Ratsuchende anonym und kostenlos über Computer, Tablet oder Smartphone anmelden. Dazu reicht die Angabe eines Benutzernamens (Nickname) und eines persönlichen Passwortes, das für alle weiteren Kontakte gültig bleibt. Eine erste Antwort durch den Berater wird innerhalb von 48 Stunden garantiert. Sollten weitere Mitteilungen folgen, so bleibt immer derselbe Berater die erreichbare Bezugsperson.
Silvia Moser und ihr 15köpfiges Ehrenamtlichen-Team sind sich der großen Verantwortung bewusst, die das neue Angebot mit sich bringt. „Einmal geschrieben ist geschrieben. Schriftliche Antworten erfordern daher viel Fingerspitzengefühl und großes Einfühlungsvermögen“, betont die Leiterin der Telefonseelsorge. Die zukünftigen Beraterinnen und Berater haben sich deshalb in einer umfassenden fundierten Ausbildung bestmöglich auf die neuen Aufgaben vorbereitet. „Dabei waren die Grundausbildung der Telefonseelsorge sowie eine mindestens zweijährige Erfahrung am Telefon die Voraussetzung, um zukünftig als Onlineberater tätig zu werden“, so Moser. Dennoch sei es nicht Ziel der Onlineberatung, andere Beratungsstellen zu ersetzen. „Wir sehen uns in erster Linie als eine erste Anlaufstelle für Menschen, die in belastenden Lebenssituationen oder in Krisenzeiten Ansprechpartner suchen und dafür die schriftliche Form wählen möchten. Bei Bedarf geben wir auch gern Auskunft über andere, spezifischere Beratungsangebote“, beschreibt Silvia Moser das Tätigkeitsfeld der Onlineberatung.
Als einen wichtigen Schritt in Richtung von Menschen, die den schriftlichen Austausch mit anderen suchen, sieht auch Greti Demetz, die stellvertretende Zentralratsvorsitzende der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft das Angebot der Onlineberatung: „Menschen in Not wissen oft nicht, an wen sie sich wenden sollen, mit wem sie sprechen können, wem sich anvertrauen. Dafür gibt es die TS-Onlineberatung. Anonym und ohne Scheu und Angst können die Menschen das aufschreiben, was sie belastet, und in Kontakt mit einfühlsamen Beratern treten. Das gibt Zuversicht in einer schwierigen Situation und hilft, dass Verzweifelte wieder Hoffnung schöpfen können“, so Demetz. Die Südtiroler Vinzenzgemeinschaft trägt den Dienst der Telefonseelsorge seit ihren Anfängen mit und hat die Unterstützung im Rahmen der Onlineberatung noch weiter ausgebaut. Weitere Hilfe kommt ebenfalls seit 16 Jahren von der Autonomen Provinz Bozen, welche mit finanziellen Beiträgen zur Aufrechterhaltung des Dienstes beiträgt.
Die Onlineberatung der Telefonseelsorge wird in deutscher Sprache angeboten, weil ein ähnlicher Dienst in italienischer Sprache bereits seit einigen Jahren von „Telefono Amico Italia“ gewährleistet wird. Die telefonische Anlaufstelle bleibt weiterhin rund um die Uhr unter der unter der grünen Nummer 840 000 481 erreichbar. Allein heuer wurde das Angebot bisher rund 10.500 Mal genutzt.