„Gerade, wenn man sich nichts leisten kann, was andere als selbstverständlich erachten, erschwert das die Teilhabe am ,normalen‘ Leben. Ältere Menschen schämen sich dafür, im Alter arm zu sein; sie fragen deshalb auch selten um Hilfe. Damit andere das nicht mitbekommen, ziehen sie sich immer mehr zurück, leiden an Einsamkeit und oft auch an Depression. Viele haben ihre Partner/Partnerin verloren, leben völlig allein. Dass in Südtirol, wie die Statistik belegt, viele Suizide von älteren Menschen begangen werden, ist tragisch und sollte uns nachdenklich stimmen“, sagt Caritas-Direktorin Mairhofer. „Wir tragen hier alle eine gemeinsame Verantwortung für unsere ältere Generation, die so viel für uns getan hat.“
In den Caritas-Diensten klopfen viele ältere Menschen an, sei es aus finanzieller als auch aus seelischer Not heraus, aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie keine Unterkunft haben. „In Südtirol gibt es viele Menschen mit einer sehr geringen Rente. So erhalten etwa 16.000 Rentenempfänger weniger als 600 Euro Mindestrente. Südtirol ist ein teures Pflaster, verstärkt durch die Preisanstiege der vergangenen Jahre. Da können viele Rentnerinnen und Rentner nicht mithalten“, sagt Werner Niederbrunner, stellvertretender Leiter der Caritas Schuldenberatung. Diese betreut derzeit rund 120 Senioren, die finanzielle Sorgen haben. Viele hätten Schwierigkeiten, mit ihrer geringen Rente die Kosten fürs Wohnen, aber auch für ihre Gesundheit zu decken. „Im Gegensatz zu jüngeren Menschen bekommen sie - zumal sie sich kaum mehr etwas dazuverdienen können – auch schwer einen Kredit und wenn, dann mit so hohen Zinssätzen, dass es beinahe schon unverschämt ist“, erzählt Niederbrunner aus Erfahrung. Deshalb können sie oft auch nicht für Reparaturkosten aufkommen oder sich Neuanschaffungen leisten. „Es gibt dann einige, die ihre Wohnung mit Wohnrecht auf Lebenszeit verkaufen – eine kritische Entwicklung“, sagt Niederbrunner.
Altersarmut ist dabei vor allem weiblich: einmal, weil Frauen deutlich älter werden als Männer, zum anderen– und das ist der Hauptgrund – weil den Frauen wichtige Beitragsjahre fehlen, welche für die Berechnung der Rente zählen. „Und das, weil sie entweder bei ihren Kindern zu Hause geblieben sind, aus familiären Gründen nur in Teilzeit gearbeitet haben und vielfach auch in der Pflege eingespannt waren“, berichtet Michela Bertin, die Leiterin von Haus Margaret in Bozen. Dort werden zusehends mehr ältere Bewohnerinnen aufgenommen, weil sie sonst nicht wissen, wo bleiben. „Da haben wir die Hauspflegekräfte, die sog. Badanti, die nirgends zu Hause sind; sowie alleinstehende oder verwitwete Frauen, die nirgends mehr dazugehören. Viele von ihnen haben gesundheitliche Probleme, bekommen aber keinen Platz im Seniorenwohnheim“, so Bertin
„Wer arm ist, muss nicht nur auf viele Annehmlichkeiten verzichten; vielfach macht Armut auch krank – physisch und psychisch“, sagt Monika Steger von der Caritas-Telefonseelsorge. Auch dort melden sich viele ältere Menschen in Not. „Über ein Drittel unserer Anruferinnen und Anrufer sind über 60 Jahre alt. Sie sagen meist nicht, dass sie finanzielle Sorgen haben. Im Gespräch kommt man aber meist drauf, dass sie wenig bis keine Freunde oder Bekannten mehr haben, weil sie sich dafür schämen, arm zu sein. Dabei brauchen sie nicht viel: ein offenes Ohr, ein nettes Wort oder Gespräch – diese Art der ,Seelsorge‘ kann jeder leisten“, so Steger.
Besonders viele ältere Menschen, auch wenn sie nicht viel haben, sind trotzdem immer noch bereit zu geben. „Viele unserer rund 1.000 Freiwilligen sind Pensionisten. Sie geben ihre Zeit her, um Menschen zu helfen. Auch dafür müssen wir äußerst dankbar sein“, sagt Brigitte Hofmann, die Leiterin des Bereiches Caritas&Gemeinschaft. „Gerade die Vertreterinnen und Vertreter der Pfarrcaritas sind nahe an den Menschen dran und werden oft um Hilfe gebeten. Auf ältere Menschen wird dabei besonders geschaut. Ziel unserer Kampagne ‚Not ist näher als du denkst‘ ist es auch, die Menschen dafür zu sensibilisieren, näher hinzuschauen, für einander da zu sein und zu unterstützen, wo und wie jemand es halt kann“, sagt Hofmann.
„Auch die vielen Spenderinnen und Spender helfen uns dabei, den älteren Frauen und Männern beizustehen – dafür danke ich allen Südtirolerinnen und Südtirolern schon im Voraus“, sagt Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer abschließend.
Wer die Caritas bei ihrer Arbeit für Menschen in Not unterstützen möchte, kann dies bei der Kirchensammlung am Caritas-Sonntag tun, mit einer online-Spende oder über eine Banküberweisung unter dem Kennwort „Caritas“.
Arme Senioren:
- Gut ein Fünftel der Südtiroler Bevölkerung ist im Ruhestand – (zu) vielen geht es dabei mehr schlecht als recht.
- Über 104.000 Menschen in Südtirol sind 65 Jahre alt oder darüber (mehr als jede fünfte in Südtirol lebende Person).
- 30.000 leben alleine, mehr als die Hälfte davon ist verwitwet. Besonders viele alleinstehende ältere Menschen leben in Bozen.
- 16.000 erhalten gerade einmal die Mindestrente. Die Mindestrente beträgt weniger als 600 Euro.
- 20.000 Seniorinnen und Senioren in Südtirol sind armutsgefährdet; viele kommen ohne Unterstützung nicht über die Runden.