Arbeitsmarkt wächst, Wohnen bleibt Herausforderung
Die Zahl der Beschäftigten erreichte 2024 einen neuen Höchststand von über 230.000 Personen, doch knapp 28 Prozent der Arbeitsverhältnisse sind befristet und nahmen besonders im Tourismussektor weiter zu. Drei Viertel der Neueinstellungen betrafen ausländische Arbeitnehmende; bereits ansässige Menschen mit besonderen Herausforderungen finden weiterhin schwer Zugang zum Arbeitsmarkt. „Doch trotz eines relativ stabilen Arbeitsmarktes bleibt die Wohnungsnot groß“, sagt Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer. „Selbst Berufstätige mit geregeltem Einkommen finden oft keinen Platz auf dem regulären Wohnungsmarkt. Allein wir als Caritas haben 2024 über 1.000 Menschen beherbergt, darunter zahlreiche Alleinerziehende, die mangels Kinderbetreuungsmöglichkeiten beruflich eingeschränkt sind.“
Finanzielle Belastungen und steigende Nachfrage nach Hilfe
Auch die hohe Inflation, mit der Südtirol weiterhin über dem italienischen Durchschnitt liegt, fordert ihren Tribut. Das Leben hier ist teuer, die Löhne im Verhältnis dazu jedoch niedrig. „Das zeigt sich in unseren Diensten immer wieder“, sagt Mairhofer. So sei die Nutzung der Sozial- und Schuldenberatungen sowie der Essensausgaben weiter angestiegen. Auch die Möglichkeiten, in verschiedenen Caritas-Einrichtungen kostenlos zu duschen und zu waschen, wurden von Menschen in prekären Lebenslagen häufiger wahrgenommen.
Gesundheitsarmut nimmt zu
Immer mehr Menschen können sich auch notwendige medizinische Versorgung nicht leisten, insbesondere Zahnbehandlungen. Die Caritas machte das 2024 deshalb auch zu ihrem Thema bei ihrer Kampagne „Not ist näher als du denkst“ rund um den Caritas-Sonntag. „Armut macht krank – und Krankheit macht arm“ war dabei die Botschaft, welche die Öffentlichkeit wachrütteln sollte. Besonders war in den Caritas-Diensten eine Zunahme der seelischen Nöte zu spüren: Überwiegend ältere Menschen und Männer suchten vermehrt psychologische Unterstützung. „Bei der Männerberatung haben wir mit 528 Betreuten einen neuen Rekord erreicht, das ist ein Anstieg von über 44 Prozent. Etwa die Hälfte der Ratsuchenden war zwischen 40 und 59 Jahre alt und benötigte Unterstützung vor allem aufgrund von Lebenskrisen, Beziehungsproblemen oder Trennungen. Besonders auffällig war der wachsende Anteil von Männern mit psychischen Belastungen“, sagt Mairhofer. Auch die Telefonseelsorge hatte mit 11.500 Gesprächen reichlich zu tun, fast die Hälfte davon drehten sich um Einsamkeit und psychische Belastungen. „Wir haben im vergangenen Jahr das Angebot ganz bewusst um die Chat-Beratung erweitert, um noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, sich so unkompliziert als möglich ihre Sorgen von der Seele schreiben zu können“, sagt Mairhofer.
Bürokratische und digitale Hürden als Barriere
Doch auch lange Wartezeiten bei behördlichen Verfahren und die zunehmende Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen erschweren es vielen Menschen, sich bei der Integration oder im bürokratischen Dschungel zurechtzufinden. „Viele haben sich auch dafür hilfesuchend an die verschiedenen Beratungs- und Begleitdienste der Caritas gewandt“, sagt Mairhofer. Bei Migrantes, einem Begleit- und Beherbergungsangebot der Caritas für Nicht-EU-Bürger, wurde ein neuer Beratungsschalter eigens für Frauen eingerichtet. „Sie zählen zu den besonders schutzbedürftigen Personen, die nochmal andere Herausforderungen zu bewältigen haben“, sagt Mairhofer.
Freiwillige und junge Menschen engagieren sich
Trotz aller Herausforderungen gab es aber auch Lichtblicke: 1.200 Freiwillige unterstützten 2024 die Caritas, darunter 324 neue Ehrenamtliche. Die Ferienangebote der Caritas in Caorle und Cesenatico wurden von 7.485 Personen wahrgenommen, und der junge Ableger der Caritas, die youngCaritas, setzte sich in Schulen und Aktionen für eine solidarische Gesellschaft ein.
Hilfe über Grenzen hinweg
Auch international setzte die Caritas Südtirol 2024 auf nachhaltige Hilfe, etwa durch Bildungsprojekte, Schulungen, Schulessen für Kinder und Ausbildungsprojekte für Frauen, um langfristig Armut und Hunger zu bekämpfen. In der Katastrophenhilfe war die Südtiroler Caritas vor allem bei den extremen Wetterereignissen in Österreich, Polen, Tschechien, Rumänien und in der Region Valencia in Spanien im Einsatz.
Danke
„Allen, die unser Tun mit Tat und Wohlwollen unterstützen, gilt unser aufrichtiger Dank“, sagt Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer. „Sie sind das beste Beispiel für gelebte Solidarität, die es in unserer Gesellschaft mehr denn je braucht.“ Dankbar zeigt sich die Caritas-Direktorin auch gegenüber der Großzügigkeit der Südtiroler Bevölkerung: über 4.800 Spenderinnen und Spender haben die Arbeit der Caritas 2024 unterstützt: 609.000 Euro wurden für Not in Südtirol gespendet und über 1,26 Millionen Euro für Hilfsprojekte außerhalb des Landes. Bei Letzteren gingen allein für die Hungerhilfe in Afrika knapp 700.000 Euro ein, 109.000 Euro für die Humanitäre Hilfe und 106.000 Euro für die Katastrophenhilfe.
„Das andere Südtirol 2024“ der Caritas in Zahlen:
- 1.000 Frauen, Männer und auch Kinder (140) beherbergt
- 193 Gäste in den 4 Aufnahmezentren für Geflüchtete und Asylsuchende
- 1.900 Hilfesuchende bei Schulden- und Sozialberatung
- 1.200 Freiwillige, 324 davon neu
- 528 Männer bei Männerberatung
- 629 Personen mit psychischen Erkrankungen sowie Suchtproblemen begleitet
- 11.500 Gespräche bei der Telefonseelsorge
- Über 7.000 Einsätze für Sterbende und ihre Angehörigen; 548 Treffen mit Trauernden
- 4.000 Migrantinnen und Migranten beraten
- 71.000 warme Mahlzeiten in Essensausgaben in Bozen und Brixen verteilt
- 7.485 Gäste in den Ferienanlagen in Caorle und Cesenatico
- 1.87 Millionen Euro Spenden