In den vergangenen 5 Jahren ist die Suizidrate in Südtirol angestiegen; sie liegt damit ober dem gesamtstaatlichen Durchschnitt. Besonders signifikant ist der Anstieg der Suizidrate bei Frauen und älteren Menschen. Diese Daten machen nachdenklich und erfordern nicht nur ein wirksames Eingreifen der Fachdienste und –institutionen, sondern auch eine vermehrte Aufmerksamkeit und Fürsorge untereinander. „Die beste Suizidprävention ist, den Menschen, die leiden, zuzuhören. Wir alle sind gefragt, das Leid und die Hilferufe wahrzunehmen, die beispielsweise von einem Freund, einem Arbeitskollegen, einem Verwandten oder einem Nachbarn ausgesandt werden“, sagt Guido Osthoff, Caritas-Vertreter im Netzwerk für Suizidprävention und Moderator der Tagung, die am Freitag, 15. September, im Bozner Pastoralzentrum stattfand.
Am Vormittag wurden dabei mittels dreier Referaten die verschiedenen Kontexte beleuchtet, in denen Suizidprävention bereits umgesetzt wird, über die Freiwilligenarbeit bis hin zu den Schulen und den Diensten für psychische Gesundheit. Dabei wurden Ideen und Impulse vermittelt, wie das soziale Gefüge dahingehend gefördert werden kann, dass dieses in der Lage ist, auf Schmerz, Einsamkeit und schwere Krisen angemessen zu reagieren. Die Inhalte wurden dann am Nachmittag von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in verschiedenen Workshops vertieft.
So erläuterte die Psychologin und Psychotherapeutin Alice Torresan in ihrem Referat die Erfahrungen, welche sie mit dem Dienst „#iorestovicinoate“ in Florenz gemacht hat, den sie leitet. Der Dienst begleitet Einzelpersonen und Familien dabei, ihre inneren Ressourcen wiederzuentdecken und zu stärken – gemeinsam mit Freiwilligen, die eigens dafür ausgebildet werden, den Menschen nahe zu sein, ihnen zuzuhören, für sie da zu sein. Diese Beziehungsarbeit tue allen Beteiligten gut, meinte Torresan.
Über verschiedene größere und kleinere Initiativen, Projekte und Wege in Zusammenhang mit Suizidprävention in den Schulen berichteten Vertreter der deutschen und italienischen Bildungsdirektion. Manches sei schon umgesetzt, anderes noch in Planung. Die Stärkung von Beziehungen und emotionalen Kompetenzen stünden dabei im Vordergrund, damit sich Jugendliche in der Schule wohl fühlen.
Roger Pycha, der Leiter des psychiatrischen Dienstes Brixen, fasste die Maßnahmen zusammen auf klinischer und institutioneller Ebene zusammen, die im Laufe der Zeit getroffen wurden, um den Zusammenhängen zwischen psychischer Gesundheit und Suizidrisiko präventiv entgegenzuwirken und diese gegebenenfalls auch zu unterbrechen; dazu brachte er auch einige Vorschläge, die für Jugendliche geeignet wären, wie beispielsweise eine eigene App für Krisensituationen oder das bereits mehrfach geforderte einheitliche Krisentelefon.
„Bei der diesjährigen Tagung haben wir Wert darauf gelegt, dafür zu sensibilisieren, wie wichtig es ist, kollektive Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam Präventionsarbeit zu leisten, Mittel und Wege des Zuhörens auszuweiten und ein schützendes Netzwerk aufzubauen, das hilft, existenzielle Krisen aufzufangen und zu entschärfen“, betonte Osthoff abschließend.
Die Tagung war der Auftakt für weitere Initiativen, die das Netzwerk Suizidprävention heuer im Herbst anbietet und mit denen es weitere Sensibilisierungsarbeit leisten will. Es sind dies folgende Veranstaltungen: Am 17. und 18. Oktober wird im Stadttheater von Gries das Theaterstück „Ali“ gezeigt und zwar in Zusammenarbeit mit dem Verband Ariadne und dem Theater „La ribalta“. Am 25. Oktober indes findet im Pastoralzentrum der Informationsabend „Morire dentro (Sterben-drinnen)“ statt, bei dem es um das Thema „Suizid im Gefängnis“ geht. Der Abend findet in Zusammenarbeit mit dem Friedenszentrum Bozen, dem Bozner Gefängnis, dem Verein Antigone und dem Caritas-Dienst Odòs statt.